AZORE - Expert*innen-Studie zum Antragsverhalten zur onkologischen Rehabilitation

In dem Forschungsprojekt „Antragsverhalten zur onkologischen Rehabilitation (AZORE)“ ist die DVSG als Mitantragstellerin beteiligt gewesen. Mit der Studie wurden mögliche Gründe für sinkende Antragszahlen für medizinische Rehabilitationsleistungen bei onkologischen Erkrankungen erforscht. Projektbeteiligte waren:

  • Universitätsklinikum Freiburg, Projektleitung: Comprehensiv Cancer Center, Tumorcentrum Freiburg, Prof. Dr. Joachim Weis, Klinik für onkologische Rehabilitation, Prof. Dr. Hans Helge Bartsch, Philip Maywald, Carolin Dresch
  • Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e. V. (DVSG), Mitantragsteller und Projektbeteiligte: Ulrich Kurlemann, Universitätsklinikum Münster, Prof. Dr. Anna Lena Rademaker und Elke Cosanne (DVSG-Geschäftsstelle)
  • Wissenschaftliches Institut der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (WINHO): Dr. Vitali Heidt
  • Universitätsklinikum Tübingen: Dr. med. univ. Jan Valentini

Hintergrund – Was ist der Anlass für das Forschungsprojekt?

In Deutschland ist über die letzten Jahre eine insgesamt ansteigende Inzidenz für Krebserkrankungen festzustellen. Dieser Trend wird voraussichtlich anhalten, was auf eine verbesserte Früherkennung sowie auf den steigenden Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung zurückzuführen ist. Entgegen dieser Entwicklung zeigen die Daten der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) seit einigen Jahren eine Tendenz zu stagnierenden bis rückläufigen Antragszahlen zur onkologischen Rehabilitation. Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere im Bereich der allgemeinen Heilverfahren. Bisher sind die Gründe für diese verminderte Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen nur wenig erforscht und bestehende Veröffentlichungen beschränken sich zumeist auf patientenseitige Untersuchungen. Es ist jedoch erforderlich, auch die Perspektive der in der onkologischen Versorgung und Beratung tätigen Expert*innen zu berücksichtigen, da diese die Antragstellung zur Rehabilitation über Informationsvermittlung, Beratung, Bedarfserhebung sowie weitere Maßnahmen steuern. Hier hat die AZORE-Studie angesetzt.

Das Projekt AZORE konkret

AZORE ist eine bundesweit angelegte und durch die DRV Bund geförderte Studie mit einer Laufzeit von 24 Monaten (Projektzeitraum: Mai 2017 – Mai 2019). Die Zielgruppen sind Expert*innen, die in der Behandlung oder Beratung von onkologisch Erkrankten tätig sind. Hierunter zählen insbesondere Ärzte bzw. Ärztinnen, Sozialarbeiter*innen, Medizinische Fachangestellte, Pflegepersonal und Psycholog*innen. Ziel der Studie war, die Sichtweise von Expert*innen bezüglich möglicher Barrieren für die Reha-Antragsstellung zu identifizieren. Dazu wurden bundesweit zunächst eine qualitative Befragung und in einem weiteren Schritt eine online-basierte Fragebogenerhebungen durchgeführt. Im Zusammenspiel mit weiteren Studien, die den Fokus auf die Patient*innenperspektive legen, sollte die Studie mögliche Ansatzpunkte aufzeigen, um ggf. bestehende Barrieren bei der Inanspruchnahme der onkologischen Rehabilitation abzubauen.

Projektverlauf

Im Jahr 2018 wurden qualitative Interviews mit Expert*innen vorbereitet, umgesetzt und ausgewertet. Zum einen konnten durch diese Interviews Ergebnisse aus Expert*innensicht erzielt werden im Hinblick auf Annahmen für mögliche fördernde oder hinderliche Faktoren einer Beantragung einer medizinischen Rehabilitation für Personen mit einer Krebserkrankung. Zum anderen wurden durch die systematischen Auswertungen der Befragungen auch Rückschlüsse für die Entwicklung einer quantitativen Befragung gezogen. Die Online-Befragung wurde bundesweit ab Mitte August 2018 bis März 2019 durchgeführt. An der Online-Fragebogenerhebung konnten Expert*innen teilnehmen, die in der Behandlung oder Beratung von an Krebs Erkrankten tätig sind. Zur zielgenauen Akquise der Teilnehmer*innen wurde der Link zur Befragung von beteiligten Fachgesellschaften, wie der DVSG, systematisch an relevante Akteur*innen (wie beispielsweise Mitarbeiter*innen von Krankenhäusern, von onkologischen Zentren/Organzentren oder Krebsberatungsstellen) weitergeleitet. Insgesamt konnten 606 gültige Rückmeldungen ausgewertet werden. Durch die DVSG-Beteiligung beim Projekt konnte die Perspektive und die praktischen Erfahrungen der Sozialen Arbeit in diese Forschungsarbeit einbezogen werden.

Ergebnisse

Im Sommer und Herbst 2019 wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet und diskutiert. Darüber hinaus wurden erste Ergebnisse der Studie beim DVSG-Bundeskongress 2019 vorgestellt. Im Ergebnis wird deutlich, dass sowohl systemimmanente als auch individuelle Barrieren zur Beantragung von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen bei onkologischen Erkrankungen bestehen (können). Auf Systemebene werden insbesondere die zu starre AHB-Frist sowie eine schlechte Erreichbarkeit der Leistungsträger von den Befragten benannt. Darüber hinaus wurde die Antragstellung von den Expert*innen als zu kompliziert bzw. als sehr zeitintensiv wahrgenommen.

Hinzu kommt, dass das Antragsverfahren für an Krebs erkrankte Personen mit Migrationshintergrund schlecht verständlich sei. Auch hier bestehe Handlungsbedarf zukünftig Informationsmaterialien und Antragsformulare in weiteren (Welt-) Sprachen bereit zu stellen. Weiterhin sollten klare Regelungen bei den Zuständigkeiten vorliegen. Das bezieht sich auf die Abläufe innerhalb der Leistungsträger sowie von Einrichtungen der Versorgungslandschaft. Diese Mängel in der internen und externen Kommunikation können mit Problemen bei der Sicherstellung einer sektorenübergreifenden Patient*innenversorgung einhergehen. Aus Sicht der an Krebs erkrankten Menschen werden Vorbehalte gegen eine Rehabilitationsmaßnahme oder private Verpflichtungen als Verhinderungsgründe deutlich. Auch der Wunsch von Patient*innen nach Normalität sowie Prozesse der Krankheitsbewältigung können zur Barriere werden, wenn sie nicht im Prozess der Beratung und Behandlung aufgegriffen werden.

Ansprechpersonen der DVSG

Prof. Dr. Anna Lena Rademaker

Elke Cosanne

Und nun?

Die DVSG wird weitere Gespräche mit der DRV Bund aufnehmen, um gemeinsam die Handlungsempfehlungen erneut zu sichten, zu diskutieren und konkrete Maßnahmen abzuleiten.